Eine neue Kirche - oder: Zwischen Ernst und Freude 60 Jahre wird unsere Lutherkirche in diesem Jahr alt. Darum werden wir in dieser und den folgenden Doppelpunktausgaben jeweils auf ein Jahrzehnt zurück schauen. ZeitzeugInnen kommen zu Wort und stellen ihre individuell gefärbten Erinnerungen vor. Wir starten mit der ersten Dekade (1956-1966). Ich spreche dafür mit Lisa Richter, die zum ersten Jahrgang derer gehörte, die in der nagelneuen Lutherkirche konfirmiert wurden.
"Dieses Jahrzehnt hat mein Leben geprägt", sagt Lisa Richter in der Rückschau. Im Interview will ich verstehen, was sie damit meint und welche Bedeutung die Lutherkirchengemeinde dafür hat.
Wenn Sie sich an die ersten Jahre der Lutherkirche erinnern, was kommt Ihnen in den Sinn?
"Den Bau der Kirche habe ich hautnahe mitbekommen. Wir wohnten damals in der Bromberger Straße. Als die Lutherkirche stand, war sie immer gut besucht. Ich war Konfirmandin und erlebte aus dieser Sicht die ersten Jahre."
Erzählen Sie bitte von Ihrem Konfirmandenunterricht und Ihrer Konfirmation.
"Unterrichtet hat uns Diakon Plate. Der war ein sehr ernster Mann, der uns Konfirmandinnen und Konfirmanden einen ernsten Glauben und ein ernstes Gottesbild weiter gab. Unter uns Konfirmanden gab es viele Flüchtlingskinder - aus Bessarabien, aus Ostpreußen, aus Pommern. Aber das war nie ein Problem; nur platt konnte man mit manchen nicht reden. Am Sonntag vor der Konfirmation fand die Prüfung statt; dafür benötigte ich ein Prüfungskleid. Am 31. März 1957 folgte die Konfirmation. Ich trug ein ganz modernes Bolerojäckchen. Zwar hatte Diakon Plate uns unterrichtet, die Konfirmation aber übernahm Pastor Schönberg aus Elstorf. Auf dem Schoß hatte ich ein gehäkeltes Taschentuch und ein neues Gesangbuch mit Goldschnitt. Maiglöckchen gab es noch nicht, dazu lag der Konfirmationstag zu früh."
Wie ging es weiter nach der Konfirmation?
"Nach der Konfirmation habe ich mit meinen Eltern zusammen im Kirchenchor gesungen. Und die Lutherkirche habe ich natürlich viele Male besucht. Aber ehrlich gesagt: Besonders beeindruckt hat mich die Kirche nicht. Sie war mir zu ernst und zu dunkel. Das Christusfenster war mir zu modern."
Gab es etwas, was sie mehr beeindruckt hat?
"Zum Beispiel die Ökumene im Ort. Zwar gab es das Wort 'ökumenisch' noch gar nicht in unserem Sprachgebrauch. Aber die gemeinte Sache wurde von Anfang an gelebt. Die verschiedenen Gemeinden feierten zusammen, das hat Eindruck auf mich gemacht."
Was hat sie noch beeindruckt und geprägt?
"Am wichtigsten war für mich der Jugendkreis. Im Jugendkeller des Pfarrhauses traf sich dieser Kreis regelmäßig. Er wurde von Dieter Tobaben geleitet. Erst wollte ich da gar nicht hin. Als ich dann doch den Kreis besuchte, war ich begeistert: Wir lasen in der Bibel, wir fragten uns, was unser Leben mit Gott zu tun hat, wir tauschten und über unsere Probleme aus und sagen zum Abschluss ein schönes Lied. Dieses Programm hat mich sehr angesprochen. Es war genau das, was ich als junges Mädchen mit meinen Fragen und in meinem Suchen brauchte. Der Jugendkreis bot mir dafür die Kontakte und das biblische 'Futter'. Ich besuchte diesen Jugendkreis, wann immer es ging, und hatte dort mein religiöses 'Aha-Erlebnis': Die Ernsthaftigkeit, die auch zum Glauben gehört, hatte ich im Konfirmandenunterricht kennen gelernt. Diese Seite wurde nun ergänzt um die Freude, die unbedingt auch zum Glauben gehört. Ich bin durch den Jugendkreis auf die Spur des Glaubens gekommen, der mich mein Leben lang geprägt hat, beruflich und privat. Ohne den Jugendkreis im Pfarrhauskeller wäre mein Leben anders verlaufen. Darum hat dieses Jahrzehnt in der Lutherkirchengemeinde meinem Leben Weichen gestellt."